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Veröffentlicht am
18. August 2023

Kategorie(n)
Deutschland
Recht
Verdachtskündigung wegen mutmaßlichem Arbeitszeitbetrug

Wann darf eine Verdachtskündigung wegen mutmaßlichem Arbeitszeitbetrug vorgenommen werden? Der dringende Verdacht der Manipulation von Arbeitszeiterfassungen kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. In einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wurde ein Arbeitnehmer mit beschuldigt, sich mit hoher Wahrscheinlichkeit von zu Hause aus in das Zeiterfassungssystem einzubuchen, aber erst deutlich später tatsächlich seine Arbeit im Dienstgebäude aufzunehmen.

 

Hintergrundinformationen

Der Arbeitnehmer war seit 2005 im Jobcenter tätig und arbeitete in Gleitzeit. Grundsätzlich sollte seine Arbeitsleistung im Büro des Jobcenters erbracht werden. Für mobiles Arbeiten benötigte er die Zustimmung seiner Vorgesetzten. Die Arbeitszeiten konnte er entweder an einem Terminal am Gebäudeeingang oder online am PC erfassen.

 

Anfang 2020 führte der Geschäftsführer des Jobcenters aufgrund eines hohen negativen Arbeitszeitkontostands ein Gespräch mit dem Mitarbeiter. Es wurde vereinbart, dass dieser den negativen Saldo abbauen müsse. Im Verlauf des Jahres 2021 bemerkte die Teamleiterin des Mitarbeiters, die selbst in Teilzeit arbeitete, dass der Kollege trotz Vollbeschäftigung häufig später zur Arbeit erschien und früher den Arbeitsplatz verließ.

 

Wie reagierte das Jobcenter?

Nach Einbeziehung der Personalvertretung prüfte sie die Arbeitszeiterfassungsdaten des Mitarbeiters. Dabei stellte sie Abweichungen zwischen den erfassten Arbeitszeiten und den von ihr notierten Anwesenheitszeiten fest. Es ergab sich der Verdacht, dass der Mitarbeiter sich mehrfach von zu Hause aus eingebucht hatte, aber erst im Büro seine Arbeit aufnahm.

 

Der Mitarbeiter konnte in einer Anhörung den Verdacht einer Zeiterfassungsmanipulation nicht entkräften. Er erklärte, dass er zu der Zeit, als er laut Zeiterfassung bereits anwesend sein sollte, aufgrund seines vorübergehenden Alkoholproblems der Teamleiterin ausgewichen sei. Daraufhin sprach das Jobcenter nach vorheriger Anhörung des Personalrats eine Verdachtskündigung aus.

Wie reagierten die Gerichte?

Das Arbeitsgericht Stralsund wies die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters ab, und seine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern blieb erfolglos.

 

Die Richter des Landesarbeitsgerichts betrachteten die ordentliche Verdachtskündigung als rechtens. Eine solche Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erheblich und schuldhaft verletzt habe, eine störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten und eine Weiterbeschäftigung über die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar sei. Diese Bedingungen waren hier erfüllt.

 

Der Verdacht eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Pflicht, Arbeitszeiten korrekt zu dokumentieren, kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss sich auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten verlassen können, besonders wenn die Arbeitnehmer die Zeiterfassung selbst vornehmen. Das Gericht sah keine andere Erklärung für die Abweichungen als die Tatsache, dass der Mitarbeiter sich von zu Hause aus einbuchte und erst später im Büro arbeitete.

 

War keine Abmahnung für eine Verdachtskündigung wegen mutmaßlichem Arbeitszeitbetrug notwendig?

In diesem Fall war keine Abmahnung erforderlich. Die Schwere der Pflichtverletzung machte eine erstmalige Toleranz nach objektiven Maßstäben unzumutbar und für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen. Die Manipulation von Arbeitszeiten führte zu unberechtigten Lohnzahlungen durch Täuschung. Eine solche Täuschung, die zu finanziellen Schäden führt, kann der Arbeitgeber nicht akzeptieren, und dies sollte auch dem Arbeitnehmer bewusst sein.

 

Fazit: Der Arbeitgeber darf sofort handeln!

Schummeln bei der Arbeitszeiterfassung stellt einen schweren Verstoß gegen die Pflichten im Arbeitsverhältnis dar. Selbst bei langjährig Beschäftigten muss das nicht toleriert werden. Der dringende Verdacht von betrügerischer Zeiterfassung führt zwangsläufig zum Verlust des Vertrauens in den Arbeitnehmer. Die Rechtsprechung ermöglicht den Arbeitgebern somit wirksame Maßnahmen, falls Arbeitnehmer die selbstständige Erfassung ihrer Arbeitszeiten missbrauchen sollten.

 

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